Traumberuf oder nur Beschäftigungsverhältnis

Ist das Berufsziel Försterin oder Förster im Zeichen der veränderten Berufs- und Umweltbedingungen überhaupt noch erstrebenswert?

In Zeiten von Bullshit Jobs (David Graeber, 2018), bei denen die verrichtete Arbeit aus nutzloser Tätigkeit besteht, welche als nicht sinnhaft wahrgenommen wird, taucht die Frage auf: Wie zufrieden mit ihrem Beruf sind momentan die Försterinnen und Förster im Revierdienst in NRW? 

Die Antwort ist eher verheerend: Stress- und Überlastungserscheinungen, die sich nicht nur im Arbeitsalltag, sondern auch schon im privaten Bereich manifestieren. Allzu deutlich wird dies bei den Themen Zeitdruck, hohes Arbeitsvolumen, mangelnde Planbarkeit der Arbeitszeit und Unzufriedenheit mit manchen Vorgesetzten. Selbst mit Hilfe einer guten digitalen Ausstattung in den Forstbetriebsbezirken fällt es oft schwer, alle beruflichen Aufgaben im Rahmen der Arbeitszeit gewissenhaft zu erledigen.

„Gar nicht lustig hat´s die Forstpartie- der (Fichten-) Wald, der stirbt auch ohne sie“                                          lässt sich die alte Volkweisheit umdichten.

Dem grünen Dauerpatienten (Neues Deutschland, 2013) geht es wirklich nicht gut und wie ist es um seine Pflegerinnen und Pfleger bestellt? In NRW heißen die Förster*innen jetzt etwas hochtrabend „Hüter des Waldes“, hoffentlich werden wir diesem Anspruch gerecht. Es ist für viele Kollegen*innen deprimierend, die langjährig gehüteten Fichtenwälder im verpönten Kahlschlagmodus abzuräumen. Neu für uns ist die Arbeit unter den Bedingungen eines globalen Marktes, der nicht nach heimischen Sägewerken, regionalen Einschlags-unternehmen oder nach gewachsenen Strukturen fragt.

Des Menschen Gestern gleichet nie dem Morgen und nichts als der Wechsel hat Bestand.“

(Percy Bysshe Shelley)

Wer weiß das nicht besser als die von permanenten Organisationsänderungen betroffenen Landesforst-verwaltungen. Schon in der von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten und lesenswerten Studie Die zwei Herzen der Forstwirtschaft (2010) heißt es:

„Mit den Innovationen ging häufig eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einher. In der Regel nahm u.a. der Arbeitsstress zu und der Leistungsdruck hat sich in Folge der Innovationen erhöht. Dies zeigte sich bei allen betrachteten Innovationsarten.“

Reformen und Innovationen? Klar, selbstverständlich. Wir müssen uns den Herausforderungen unserer Zeit widmen, aber nicht, indem wir die Anwärterzeit verlängern, das Controlling weiter ausprägen, Zielfestlegungen mit noch mehr Kennziffern untermauern und dann meinen, den besseren Überblick (wofür eigentlich?) zu bekommen. Das würde nur bedeuten, noch mehr Energien in fragwürdige Verwaltungstätigkeiten zu investieren.

Das künstliche Aufblähen des administrativen Sektors führt allenthalben zu Frustrationen: „die da oben wissen doch überhaupt nicht, was hier draußen los ist.“ (siehe o.g. Studie)

Politische Vorgaben, abhängig von der jeweiligen Landesregierung, lassen die Identifikation mit der Forstverwaltung und das Vertrauen zum Arbeitgeber auf ein Minimum schwinden. Zur Not muss dann ein neues Leitbild her.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Göttinger Forstabsolventen „nach wie vor eine sichere Arbeit mit forstlichen Aufgaben wünschen, welche gesellschaftliche Ziele im Wald erfüllen und deshalb auch persönlich Freude bereiten“, wie die o.g. Studie berichtete und was auch heute noch aktuell sein kann.                                                                            

Die Arbeit soll Spaß machen, kreativ und autonom sein, sie soll nicht nur eine Einkommensquelle sein, sondern muss Sinn stiften und Selbstverwirklichungsansprüchen Raum geben (vgl. Baethge, Kruger, Vosswinkel). Kurz gesagt: Das Leben kann unmöglich nur aus Geldverdienen und Geldausgeben bestehen!

Weshalb nun haben sich Berufsanfänger*innen für den Forstberuf interessiert? Die Antworten sind vielseitig und manchmal auch verwunderlich. Doch die Wenigsten halten die Forstverwaltung für eine staatliche Umweltschutzbehörde, was z.B. bei den oft zu großen gebräuchlichen SUV- Dienstwagen oder dem möglichen Einsatz von Insektiziden als sogenannte „Ultima Ratio“ in NRW nicht unbedingt überrascht. Falls die landeseigene Forstorganisation den Wechsel zur echten Umweltverwaltung verpasst, wird sie bald zur reinen Hoheitsinstitution, welche nur noch die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben überwacht.

Waldschäden

„Wer zu spät handelt, den bestraft das CO2                            

titelte kürzlich die Wochenzeitung „der Freitag“ nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Klima-schutzgesetz der Bundesregierung. Der Forstverwaltung steht dabei eine Vorreiterrolle zu, die sich nicht ausschließlich im Bewerten der Klimaleistungen „ihrer“ Wälder erschöpfen kann. Im Wald zeigt sich der Klimawandel augenblicklich wie in einem Brennglas. Wer das nicht zur Kenntnis nehmen will, verschließt die Augen vor den deutlichen Hinweisen unserer Umwelt.

Um zu der Anfangsfrage zurückzukehren: Wir dürfen die bisherige optimistische Haltung gegenüber unserer beruflichen Zukunft nicht verlieren. Vielleicht ist es an der Zeit, Arbeit neu zu definieren. Was „Gute Arbeit“ bedeuten kann, versucht der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schon seit 2006 zu vermitteln. Warum werden so viele gute Ideen nicht ernst genommen?

Ehrlich gesagt wissen auch wir Förster*innen nicht so genau, wie die zukünftigen Wälder aussehen werden, trotzdem sollten wir uns gemeinsam mit den Waldbesitzer*innen darum kümmern, die neuen und besser klimaangepassten Baumgesellschaften aufzubauen.                                   

Deshalb bedarf es unbedingt junger, engagierter und hoffnungsfroher Menschen, die vielleicht sogar mit einem gewissen Mangel an Realismus behaftet sind.                                                                          

Oder wie Rutger Bregman in seinem Buch: Utopien für Realisten (2017) schreibt:

„Ich bin der Meinung, dass wir eine neue Arbeiterbewegung brauchen, nämlich eine, die nicht nur für mehr Arbeitsplätze und höhere Löhne, sondern vor allem für eine Arbeit kämpft, die an sich sinnvoll ist.“

 

Stefan Dörr IG BAU Landesvertretung Forst NRW